Sie werden lachen. Mein Mann ist tot by Mikutta Petra

Sie werden lachen. Mein Mann ist tot by Mikutta Petra

Autor:Mikutta, Petra
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaus
veröffentlicht: 2014-10-13T16:00:00+00:00


ACHTZEHN

Dritter Monat.

Ein Weizenfeld, das sich wiegt. Es stört nicht, wenn vereinzelte Halme geknickt sind, sie schwingen mit, es ist gar kein Platz, die aufrechte Haltung zu verlieren. Haut und Härchen reiben aneinander, hie und da sprühen die Funken. Heiß und verräuchert ist es in der überfüllten Bar. Ich stecke in der Klemme zwischen fremden Körpern und dem Tresen. Es ist in jedem Fall besser, als zur Geisterstunde ganz alleine dazustehen.

Nagelneue Musik, keine Schrammen im Vinyl, keine Sprünge und Endlosschleifen. In meinem Kopf spielt eine: Wäre er doch hier, wäre er doch hier, wäre er doch hier. Der DJ hinter dem Pult wippt dazu im Takt, als würde er die Zeile über sein Headset hören. Die Regler sind derart aufgedreht, dass man aus vollem Hals gegen Höhen und Bässe anschreien muss. Man versteht sein eigenes Wort nicht, das ist der Plan. Niemand ist hier, um zu verstehen. Man ist hier, um zu vergessen.

»Was?«, rufe ich. Ein Mund an meinem Ohr, Wortfetzen, die ich nicht zusammenflicken kann.

»Könntest du lauter sprechen?«

Jede Bewegung berührt. Oberarm reibt an Oberarm, Rücken an Rücken, Hinterkopf an Hinterkopf an Brust, wenn man, wie ich, auf einem Hocker sitzt und einer hinter einem steht, logisch. Ich ziehe den Mantel nicht aus. Nirgendwo ein Haken. Und über die Lehne hängen geht sowieso nicht mit dem Schlüssel in der Tasche und dem Geld. Und dann in der Kälte nach Hause laufen und vor verschlossener Tür stehen, das hätte noch gefehlt.

»Ich bin schon ganz heiser«, brüllt der Fremde, dabei berühren seine Lippen mein Ohrläppchen. »Wer ist das?«

»Wer ist was?«

»Na, der Song.«

»Ach so. Weiß nicht.«

»Und du?«

»Was?«

»Wie heißt du?«

So lange ist es nun auch nicht her, dass ich die Grundlagen vergessen hätte. Man kann es sich sparen, den Namen zu brüllen, das machen überschminkte Landeier und alte Säcke auf der Pirsch. Die Frage nach dem Namen ist ein Code, nicht gerade schwer zu knacken. Will ich? Der Mann hat blaue Augen und blondes Haar. Ausgeschlossen. Für den Anfang muss es das Gegenteil sein, wenn überhaupt.

Also ein kleines Winken und eine halbe Pirouette.

»Hast du Spaß?«, ruft meine Freundin.

»Ich versuch mein Bestes. Auf ihn, auf meinen Mann!«

Wir lassen die Wodkagläser klirren. Das Brennen im Mund treibt Wasser in die Augen. Alle Löschversuche sind vergeblich, die Zerstörung ist nicht aufzuhalten.

»O Gott!« Der Pegel übertönt mein Flehen. Auch bei Stille bliebe es unerhört.

Meine Brust an einer Brust, meine Hüfte an einem Schenkel, bis seine und meine Nase kaum einen Fingerbreit voneinander entfernt sind, es geht nicht anders, der Laden ist brechend voll. Er hat schöne Zähne, gepflegte Nagelhäute, braune Locken und Augen.

»Wodka«, ruft er, sein Atem an meinem Hals.

Er hebt den Arm, bevor ich zustimmen kann. Ein neues Glas wächst in meiner Hand und schlägt gegen das Glas in seiner.

Wir nippen an den Drinks und stellen sie auf der Theke ab, synchron, als hätten wir geübt. So viel Gemeinsamkeit rechtfertigt den Arm, der sich um meine Schulter legt, das ist die Regel. Wem sie nicht passt, soll kein Spielverderber sein und heimgehen. Ich bleibe. Was ich anfange, bringe ich zu Ende.



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